Erfahrungen aus Österreich

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Diana Almeida, Klassenlehrerin in Österreich

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch ich möchte über meine gerade zweiwöchige Erfahrung mit "Homeschooling" berichten. Wir Waldorfschulen in Österreich sind schon seit dem 16. März in dem besonderen Zustand wegen der Coronakrise und ich durfte in dieser Zeit schon vieles erleben und lernen. Als Klassenlehrerin einer 2. Klasse durfte ich mein eigenes "Rad" erfinden, um die geplante Epoche trotz der Krise zu führen und fand in den Familien hervorragende Unterstützung und Mitarbeit - jede Familie hat einen Weg gefunden, um die vorgeschlagene Arbeit mit den Kindern durchzuführen, obwohl die meisten Eltern noch arbeiten müssen. Das ist eine mega Herausforderung , die sie bisher wirklich gemeistert haben, und ich bin begeistert!

Ich versuche nun, es kurz zu schildern, wie ich das Material für die Kinder geplant habe, vielleicht ist das für manche Kolleginnen und Kollegen hilfreich!

Unsere Lektionen fangen immer mit einem "Guten Morgen" Bild an - jeden Tag male ich ein einfaches Bild und schreibe "Guten Morgen, liebe 2. Klasse!" und das Datum dazu. Das soll den Kindern das Gefühl vermitteln, dass ich mich mit dem, was kommt, innig beschäftigt habe, um sie dazu auch zu inspirieren.

Für mich war es sehr wichtig, dass die Kinder unsere Rituale weiter beibehalten - die Kerze, die Sprüche, die Lieder usw. Darum habe ich den Eltern empfohlen, zu Hause einen kleinen "Lehrertisch" oder "Jahreszeitentisch" mit den Kindern zu gestalten, sodass sie es so gut wie möglich nachmachen können, was wir täglich tun. Dann habe ich alles der Reihe nach aufgelistet, damit sich auch die Eltern auskennen: Kerze, "Schwinge, Schwengel, Schwinge" (unser Lied zur Einstimmung der Zeugnissprüche), Zeugnisspruch, Morgenspruch, Datum. Diese Reihenfolge wird täglich wiederholt. Das habe ich auch so geschrieben, dass die Kinder es selber lesen können - schön bunt und mit einem kleinen Bild oder Symbol daneben. Dann kommen meine Anleitungen zum rhythmischen Teil. Ich habe mich bemüht, erstmal Sachen zu machen, womit die Kinder bereits vertraut waren und anhand dessen habe ich Variationen oder neue Sachen (Sprüche, Lieder, Rhythmen, Bewegungen) eingeführt.

Dann kommt eine kleine und kurze Rechenaufgabe. Obwohl wir gerade Formenzeichnen haben, ist es eine gute Chance, das Kopfrechnen jeden Tag kurz zu üben, weil ich weiß, sie werden einzeln betreut und individuell gefördert. In der Klasse mache ich das auch immer wieder, aber es hat eine andere Wirkung.

Wir haben gerade eine "Frühlingsepoche". Diese habe ich so gestaltet, dass die Kinder jeden Tag einen kurzen Text zu einer neuen Blume schreiben und ein Bild dazu malen, und außerdem eine Form üben, die vielleicht an den Frühling erinnert. Es sind hauptsächlich Spiegelungsformen und die vierseitigen Spiegelungen eignen sich dafür am besten.

Damit es sich nicht rein um Abschreiben und Abzeichnen handelt, habe ich den Eltern erklärt, worum es in Formenzeichnen eigentlich geht, und zwar um Bewegung - ich habe sie dazu angeregt, gemeinsam mit den Kindern Möglichkeiten zu finden, wie sie die Formen bewegen können: legen, gehen, verwandeln. Das machen sie ausgezeichnet! Einige haben die Formen mit Knöpfen, Wäscheklammern und Blumen gelegt; ein Schüler, der gerade am Berg ist, hat die Form in den Schnee gezeichnet. Einige legten sie mit dem Springseil und gingen darauf, andere nutzten das Springseil als "Spiegel" und zeichneten die Form im Gehen.

Zu den Blumen gab ich neben den vorgeschlagenen kleinen Sprüchen immer wieder die Aufgabe, selbst Rätsel oder kleine Gedichte zu schreiben und das taten viele auch sehr gerne.

Zum Schluss gibt es eine kleine Geschichte, normalerweise über die nächste Blume, die von uns künstlerisch betrachtet wird. Die Geschichte wird entweder von den Kindern oder von den Eltern vorgelesen.

Weil das gewiss kein permanenter Zustand ist, erlebe ich diese Zeit als eine große Chance für uns alle: für mich als Lehrerin, erstmal die Kontrolle abzugeben und den Unterricht den Kindern zu schenken. Für die Kinder, den Unterricht in die Hände zu nehmen und ganz aktiv mitzugestalten. Und für die Eltern, aus einer privilegierten Perspektive die Waldorfpädagogik und den Lernprozess ihrer Kinder zu erleben und neu zu verstehen.

Es läuft bei uns also fast nur analog - bis auf die Tatsache, dass ich das Material als PDF täglich per Email bzw. Dropbox schicke. Einige Videos habe ich auch schon geschickt: einmal mit Anweisungen fürs Malen, einmal mit einem neuen Flötenlied, was laut Rückmeldungen super funktioniert hat, und einmal mit einer Geschichte, die ich unbedingt selbst erzählen wollte.

Briefe haben wir auch getauscht. Viele Kinder fühlten sich einfach inspiriert, um über ganz andere Blumen zu schreiben, als die, die wir im "Unterricht" hatten. Die Fotos und Videos, die ich bekomme, ernähren mich und meine Freude, diese eigenartige Arbeit weiter zu machen und helfen mir dabei, diese herausfordernde Zeit durchzumachen.

Ich hoffe ich habe einige von euch inspirieren können und freue mich auf neue und andere Ideen!

Herzliche Grüße aus Wien,

Diana Almeida