Auf Einladung der Pädagogischen Sektion haben sich vom 25. bis zum 27. Oktober 2024 23 Förderlehrerinnen und Förderlehrer aus der ganzen Welt in Dornach getroffen. Ziel der Veranstaltung war es, die Bedürfnisse der heutigen Kinder darzustellen, zu überlegen, wie Förderlehrertagungen in Zukunft gestaltet sein könnten und die Tagung 2025 konkret zu planen. Ein Beitrag von Sibylle Raupach.
Auf dem Programm des Kolloquiums zum Förderunterricht standen die Darstellungen erfahrener Kolleginnen und Kollegen, die in ihrer Vielfältigkeit schon das breite Spektrum an Ansatzmöglichkeiten aufzeigten. Letztendlich konnte man aber auch die gemeinsamen Schnittmengen bei allen Darstellungen deutlich erleben:
Dem aus unterschiedlichen Gründen aus dem Gleichgewicht geratenen Kind, dem es oft an grundlegenden Fähigkeiten mangelt, kann mit unterschiedlichsten – in der Regel motorischen – Methoden individuell geholfen werden. Alle Beiträge und der gemeinsame Austausch waren geprägt durch intensive Beschäftigung mit der Menschenkunde. So wurden die folgenden Themen schwerpunktmässig von einzelnen Teilnehmern dargestellt, die hier nur stichwortartig zusammengefasst werden können:
Joep Eikenboom unterschied in seinen zwei Vorträgen deutlich zwischen den konstitutionellen Schwächen eines Kindes, das eher in einer heilpädagogischen Einrichtung betreut wird und den mehr strukturellen Aspekten, die bei einem Regelschulkind, das zum Förderunterricht geschickt wird, noch nicht ausgereift sind. Hier treten in einigen Bereichen noch Verzögerungen auf, die aber nicht den ganzen Menschen betreffen. Die Kinder, die in den Förderunterricht kommen haben keine «Diagnosen», sondern versuchen in einem nicht angemessenen Umfeld auf die Einflüsse von aussen zu reagieren.
Phillip Reubke betonte die Bedeutung der bewussten Betreuung der Kinder im ersten Jahrsiebt. Es muss nachahmenswerte Bewegungen und Handlungen geben. Ganz entscheidend sind immer die Beziehungen von Mensch zu Mensch. Vom Erzieher/ Lehrerin zum Kind UND zu den Eltern. Diese Beziehungen sollten nicht fordernd oder belehrend sein, sondern ein Interesse an der Begegnung vermitteln. Gesunde Beziehungen zu Kindern und Eltern sind die Grundlage für eine erfolgreiche pädagogische Arbeit.
Viele der nachfolgenden Berichte aus der Praxis ergänzten sich durch den Ansatz oder durch die Sichtweise auf die Ursachen oder Hilfestellungen für schwer lernenden Kinder.
Ingun Schneider stellte die basalen Sinne, die sie Leibessinne nennt, dar. Jeder der Sinne trägt zu einem gelingenden Lernprozess bei. Sind diese Leibessinne nicht gut entwickelt, kommt es zu Lernblockaden und Schwierigkeiten, welche aber wiederum durch Aktivierung der basalen Sinne bearbeitet werden können.
Zwei Teilnehmerinnen blickten aus der Perspektive der unausgereiften und nicht ausreichend integrierten frühkindlichen Überlebensreflexe auf die Lernmöglichkeiten der Kinder:
Sibylle Raupach stellte die Entwicklung von der Schwangerschaft bis zum ersten Lebensjahr unter dem Aspekt lernverhindernder Unreifen dar. Laura Pellico übte mit uns praktische Beispiele, wie die Restreaktionen frühkindlicher Bewegungsmuster durch tägliche motorische Übungen im Klassenraum umgewandelt werden und nachreifen können.
Brigitte von Schwarzenfeld berichtete aus ihrer Arbeit mit legasthenischen Kindern, die in einer Intensiv-Woche in ihrer Praxis betreut werden. Ganz praktisch wurde es, als Gordon Woolard zeigte, wie er mit Schülern Brüche sinnlich wahrnehmbar erarbeitet. Auch den Teilnehmern wurden die Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Brüchen oder dem Erweitern sofort klar. In einer weiteren Einheit schilderte er die Möglichkeit, durch ein Hörtraining die Hörverarbeitung bei Kindern zu steigern – oder überhaupt zu ermöglichen.
Ana Ramos zeigte in kleinen Videos, wie sie die Übungen der Extra-Stunde in ihrer Klasse anwendet. Das konsequente Durchhalten dieser Bewegungsanregungen im Rhythmischen Teil bewirkt, dass ihre Klasse nach Aussagen der Schulärztin im Vergleich mit den Nachbarklassen bessere Lernmöglichkeiten zeigt.
Zur allgemeinen Freude und zur Unterbrechung der eher sitzenden und zuhörenden Sitzungen gab uns Kris Boshell jeden Morgen einen Einblick in ihre Unterstützungsarbeit im Klassenzimmer, indem sie demonstrierte, wie man mit einer grossen Gruppe in einem Klassenzimmer grundlegende Fähigkeiten mit Sitzsäcken aufbaut. Die tägliche kurze Übungspraxis umfasste die Einbindung der Vorstellungskraft sowie den Aufbau von Fähigkeiten zunächst durch Klatschen und dann durch den Einsatz von Sitzsäcken beim Steppen und Sprechen, was wir alle mit Konzentration ausprobierten.
Mehrmals gab es Zeit und Raum, die Schwerpunkte für eine nächste Tagung in kleineren Gesprächsgruppen herauszuarbeiten: Vordringlich war der durch die Erfahrung aller Teilnehmer begründete Gedanke, dass heute ALLE Kinder sehr davon profitieren, wenn sie auf verschiedene Weise in der Unterstufe konkrete und konsequent wiederholte motorische Anregungen bekommen. Somit lag der Gedanke nahe, nicht eine Tagung ausschliesslich für Förderlehrer anzubieten, sondern auch die Klassenlehrerinnen oder Kindergärtner einzuladen. Wäre es in der heutigen Zeit nicht sinnvoll, wenn ALLE Kinder jeden Tag Bewegungsübungen machen, die die Lernmöglichkeiten für alle Kinder erweitern?
Wie in der Vergangenheit üblich, trafen sich zur gleichen Zeit die Schulärzte und Schulärztinnen zu einer Tagung im Goetheanum. Karin Michael, Co-Leiterin der Medizinischen Sektion, konnte sich daher unserer Gruppe zu einer Diskussionsrunde anschliessen, in der wir uns über Möglichkeiten der zukünftigen Zusammenarbeit austauschen konnten.
Am Ende unsers Kolloquiums wurden viele Aspekte zusammengetragen, die in den nächsten Monaten von einer internationalen Vorbereitungsgruppe, die sich zuletzt gebildet hat, zu einem Programm entwickeln wird.
Sibylle Raupach, Hannover
Save the date:
Internationale Tagung zum Thema Lern- und Entwicklungsförderung an Schulen und Kindergärten, 23. bis 26. Oktober 2025 am Goetheanum